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“Aufenthaltszenten für Rückführung” und warum sie ein Versagen der italienischen Einwanderungspolitik darstellen

Übersetzung von Sophia Schonthaler.

Am vergangenen Samstag hat die landesweite Demonstration gegen sogenannten “CPR” (die Abkürzung “CPR” steht für die Wörter “Centro di Permanenza per il Rimpatrio”, zu Deutsch “Aufenthaltszentrum für die Rückführung”) mehr als tausend Menschen nach Bozen gebracht. Es gibt jedoch sicherlich viele Südtiroler und Südtirolerinnen, die nicht genau wissen, was diese Einrichtungen sind und warum Menschen darin festgehalten werden. Was genau sind diese Zentren? Und warum sind so viele Menschen gegen die Eröffnung eben dieser Einrichtung in Südtirol?

Centro di permanenza per il rimpatrio in Gradisca d’Isonzo | Photo: ANSA

Die CPR sind Einrichtungen, an denen irreguläre Migranten und Migrantinnen zum Zweck ihrer Abschiebung aus dem italienischen Hoheitsgebiet festgehalten werden. Sie sind keine neue Erfindung, denn ähnliche Einrichtungen gibt es in einigen Ländern bereits seit dem 19. Jahrhundert. In Italien wurden sie erstmals in den 1990er Jahren eingerichtet, als der albanische Exodus eine überhöhte Angst vor einer „Invasion“ auslöste, was zu einem Wechsel zu einer stärker sicherheitsorientierten Einwanderungspolitik führte. Darüber hinaus musste Italien, um in den Schengen-Raum aufgenommen zu werden, die Maßnahmen gegen irreguläre Einwanderung verstärken, und dazu gehörte auch die “Abschiebungshaft”.

Obwohl der Begriff „Inhaftierung“ im Testo unico sull’immigrazione – dem italienischen Einwanderungsgesetz – auf eine weniger invasive Maßnahme hinzudeuten scheint, stellt der Aufenthalt von Migranten und Migrantinnen in diesen Zentren eine de facto Inhaftierung dar. Rechtsexperten und -expertinnen bezeichnen dies als „Verwaltungshaft“, die eine besondere und einzigartige rechtliche Regelung darstellt. Es werden Migranten und Migrantinnen inhaftiert, die nie einer Straftat angeklagt wurden; der einzige Zweck der CPR ist die Erleichterung der Ausweisung irregulärer Einwanderer und Einwanderinnen und ganz allgemein ein Instrument zur Steuerung der Migration. Und auch wenn die CPR-Zentren wie Gefängnisse aussehen, so fehlen ihnen doch die Vorschriften und Schutzmaßnahmen des Strafvollzugs.

In diesem Wahlkampf haben wir oft gehört, dass das Südtiroler CPR für die Abschiebung von Personen genutzt werden soll, die ein Sicherheitsrisiko darstellen oder Straftaten begangen haben. Dies ist jedoch nicht der einzige Grund, der in der Verordnung genannt wird, und in der Tat gibt es verschiedene Gründe.

Diese Infografik, die auf den sozialen Medien von Landeshauptmann Kompatscher veröffentlicht wurde, ist irreführend, da viele Personen, die in den CPR festgehalten werden, einfach nicht über die richtigen Dokumente verfügen und nicht im Verdacht stehen, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darzustellen.

In diesen Zentren wird nicht zwischen diesen Kategorien unterschieden, so dass Menschen mit völlig unterschiedlichen Situationen oft in einem Raum untergebracht sind. Mehr als zwanzig Jahre nach ihrer Eröffnung kann leider mit Gewissheit festgestellt werden, dass die CPR Orte sind, an denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden, und, dass bis heute mehr als dreißig Menschen in ihnen gestorben sind. Die Italienische Koalition für „Freiheit und Bürgerrechte“ (La Coalizione italiana Libertà e Diritti civili) hat sie als schwarze Löcher beschrieben, in denen „Häftlinge” keinerlei Aktivitäten ausüben dürfen und in denen es praktisch keine Kommunikation mit der Außenwelt gibt. Die Lebensbedingungen sind Berichten zufolge unmenschlich, während die Gefangenen in der Schwebe sind.

Neben dem Aktivismus sind die CPR auch von der Justiz scharf verurteilt worden. So hat der Oberste Kassationsgerichtshof (la Corte di cassazione) in einem kürzlich ergangenen Urteil die Haftbedingungen in im CPR Bari für unmenschlich und entwürdigend erklärt und festgestellt, dass die Präsenz dieser im die Identität der Stadt beschädigt habe.

Es ist daher verständlich, warum die Eröffnung eines Zentrums in Südtirol so viel Empörung hervorruft, insbesondere wenn man bedenkt, dass wir die einzige Region in Italien sind, die keinen regionalen Garant für die persönliche Freiheit privater Personen (il Garante regionale delle persone private della libertà personale).

Anstatt Alternativen wie das „Case Management” zu erforschen, das von zahlreichen Organisationen auf internationaler und nationaler Ebene als wesentlich effektiver anerkannt wird, hat sich die derzeitige Regierung für absurde Maßnahmen entschieden, die die Logik der CPR weiter unterstützen. Das Cutro-Dekret (Decreto Cutro) und sein Durchführungsdekret vom 14. September 2023 stellen eine empörende Entscheidung dar, da sie die Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern und Asylbewerberinnen erweitert haben, insbesondere wenn diese keine finanzielle Sicherheit von 4.938 Euro vorweisen können. Mit demselben Beschluss vom September verlängerte die Regierung auch die Höchstdauer der Inhaftierung im CPR auf 18 Monate. Anderthalb Jahre in der Schwebe, obwohl die Statistiken des Nationalen Ombudsmannes für Inhaftierte (Garante nazionale dei detenuti) deutlich zeigen, dass es praktisch unmöglich ist, die Abschiebung zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, wenn sie nicht zu Beginn der Haft durchgeführt werden kann. Denn eine Rückführung ist nur dann erfolgreich, wenn es ein Abkommen mit dem Herkunftsland gibt, und solche Abkommen sind derzeit nur selten zu finden.

Betrachtet man die Gesamtzahl der Rückführungen im Vergleich zu den Inhaftierungen, so wird deutlich, dass die CPR trotz der erheblichen Kosten für die Steuerzahlenden ineffektiv sind. Nicht einmal die Hälfte der Migranten und Migrantinnen, die diese Einrichtungen passieren, werden erfolgreich zurückgeführt. Wer wird also nicht zurückgeführt? Nach Ablauf der maximalen Haftdauer oder wenn keine begründete Aussicht auf Abschiebung besteht, wird von der Behörde eine Ausweisungsverfügung erlassen. Dies ist ein rechtliches Schlupfloch, durch das sie in der Praxis zur Selbstabschiebung aufgefordert wird. Die Nichteinhaltung ist eine Straftat und das wahrscheinlichste Ergebnis, da es schwer vorstellbar ist, dass sie auf die Warnung sorgfältig reagieren werden, wenn sie dies nicht schon vorher freiwillig getan haben. Früher oder später werden sie wahrscheinlich wieder aufgegriffen und landen möglicherweise wieder in einem Abschiebezentrum, wo sie erneut nicht erfolgreich abgeschoben werden können.